In den USA war das so genannte bonesetting seit dem 18. Jahrhundert sehr verbreitet. Seit dem 19. Jahrhundert wurde es in verschiedenen Spielarten und unter zahlreichen Bezeichnungen auch in
Europa wieder eingeführt, zunächst von Heilpraktikern, seit dem zweiten Weltkrieg auch zunehmend von orthopädisch oder hausärztlich tätigen Ärzten. Die schulmedizinische pathophysiologische Theorie
richtet sich anstelle auf die Knochen-"Verrenkungen" vorwiegend auf muskuläre Verspannungen und Dysbalancen, die von Fehlbelastungen ausgelöst werden. Die Biomechanik muss die unterschiedliche Form
der Gelenke und die komplexen Ansatzpunkte und Ausrichtungen der Muskulatur berücksichtigen, was eingehende anatomische Kenntnisse voraussetzt.
Im 20. Jahrhundert entwickelten alternativmedizinische Manualtherapeuten den Anspruch, außer den einfachen belastungsbedingten Schmerzen im Bewegungsapparat auch andere Krankheiten und
Befindungsstörungen zu beeinflussen. Dazu werden - ähnlich wie bei der Akupunktur - nervliche, reflektorische oder "energetische" Verbindungen der Knochen und Gelenke mit dem übrigen Körper
postuliert, deren Existenz allerdings nicht belegt werden konnte. Neben Magen-Darm-Beschwerden sind vor allem psychische Beschwerden, Angstneurosen, Depressionen und Entwicklungsstörungen ein
häufiges Ziel manualtherapeutischer Interventionen. Das KISS Syndrom (kopfgelenkinduzierte Entwicklungsstörungen von Kindern) ist ein Beispiel für eine häufige alternativmedizinische Diagnose, die
durch manuelle Therapie behandelt wird, aber in der wissenschaftlichen Medizin keine Entsprechung hat.